Gleiche Sprache, reiche Sprache: Italienisch

Dass sich je nach Land auch die Sitten ändern, wissen wir nicht erst seit der inflationären Benutzung des entsprechenden Sprichwortes; dazu genügt ein simpler Blick in die Geschichtsbücher. Dass aber in Ländern, in welchen dieselbe Sprache gesprochen wird, nicht immer dasselbe, ja manchmal sogar das pure Gegenteil verstanden wird, mag den Leser dann doch erstaunen und zuweilen auch leicht amüsieren.

Beispiele dafür findet man in vielen Sprachen, in regelmässigen Abständen werden wir hier jeweils näher darauf eingehen. In diesem Beitrag haben wir uns einiger Kuriositäten aus der italienischen Sprache bedient, welche die Unterschiede zwischen Italien und der italienischsprachigen Schweiz aufzeigen sollen.

Dänk dra – lüt a

Erste Risse in der Sprachharmonisierung zeigen sich dabei ausgerechnet bei einer Lieblingsbeschäftigung sämtlicher italienischsprechenden Personen: dem Telefonieren. Während der heimliche Nationalsport in Italien als abstrakte Tätigkeit bezeichnet wird („ti faccio una telefonata“), ist der Schweizer bei seinem Telefongespräch ungleich kreativer. Strenggenommen versorgt dieser nämlich den Empfänger des Anrufs nicht mit Gesprächsstoff, sondern gleich mit dem gesamten Apparat, wenn er versprechungsschwanger seine Absichten mit „ti faccio un telefono“ verkündet.

Konsequenterweise suchen unsere italienischen Nachbarn demzufolge beim Zuruf „c’è una telefonata per te“ zielstrebig den Weg zum Telefonhörer. Beim Erhören des hierzulande üblichen Zurufs „c’è un telefono per te“ würden sie höchstwahrscheinlich erwartungsfroh zur Tür rennen und freudestrahlend den Postboten begrüssen, in der Hoffnung, dieser überbringe das neueste Modell ihres Handys, originalverpackt frisch ab Werk.

Viel Wirbel um Aktionen

Preisbewusste Bürgerinnen und Bürger unseres südlichen Nachbarstaates kaufen dann ein, wenn gerade eine „offerte speciale“ („Aktion“) im Angebot steht. Der italienischsprechenden Schweiz reicht dafür bereits eine einfache „azione“ aus, was wiederum in Italien nicht verständlich ist, da man dort davon ausgeht, dass eine solche immer im Zusammenhang mit einer Handlung steht. Scharfsinnig liesse sich hier natürlich argumentieren, dass eine „azione“ ja immerhin tatsächlich in den meisten Fällen eine Handlung nach sich zieht: den Kauf nämlich.

Die Post als Sinnbild

Amüsant wird es dann, wenn „alles wie geschmiert läuft“. Während in Italien verständlicherweise das Bild des unbestritten schmackhaften Öls als Metapher verwendet wird („tutto è andato liscio come l’olio“), darf sich die Schweizer Post über kostenlose Werbung freuen, wenn bei uns „alles glatt wie ein Brief mit der Post“ geht („tutto è andato bene come una lettera alla posta“). Die Redewendung „è andato come una lettera alla posta“ existiert natürlich auch in Italien. Allerdings offenbaren sich hier nicht nur semantische Differenzen zur Schweiz, sondern auch eine linguistisch verbürgte Kritik an der italienischen Post, denn der Ausdruck „è andato come una lettera alla posta“ erfreut sich in Italien dann höchster Beliebtheit, wenn alles schief läuft.

Kunst und Klischees

Benötigt man im Tessin einen Maler, ruft man einfach den „pittore“ und bittet um sein Handwerk. Erfolgt derselbe Anruf südlich der Landesgrenze, erhält man dafür nicht einfach nur eine gestrichene Wand, sondern gleich ein ganzes Kunstwerk, da mit „pittore“ in Italien ein Kunstmaler bezeichnet wird. Will man einen Maler fürs Grobe, benötigt man im Land der blühenden Zitronen einen „imbianchino“.

Und wer sich zuletzt auch noch am Klischee der Unpünktlichkeit bedienen möchte, bitte schön: Während man in Italien eine Verspätung einfach mit „essere in ritardo“ kundtut, liefern die italienischsprechenden Personen in der Schweiz mit „prendere i topi“ („Mäuse fangen“) auch gleich eine entsprechende Ausrede für dieselbe.

Fazit: Sollten also die Mäuse im südlichen Teil der Schweiz einmal vom Aussterben bedroht sein, wissen wir jetzt auch, warum.